Überglücklich stehen wir da und schauen hinunter auf die Stadt. Nach fünf Tagen Marsch liegt uns Machu Picchu im strahlenden Sonnenschein zu Füßen. Ostersonntag, 14 Uhr - der Osterhase hat uns doch gefunden!
Doch diesen Anblick mussten wir uns verdienen: Um halb vier Uhr früh läutet der Wecker. Ist es strafbar, seinen Wecker im Affekt zu erschlagen?
Denn das "Deutsche Urlauber reservieren eine Liege am Strand-Syndrom" hat zugeschlagen: Die Ersten werden die Ersten sein! Und wir machen diesen Wettlauf mit.
Um vier Uhr setzen wir uns im Laufschritt in Bewegung. Unser Ziel: Die Brücke über den Fluss, von wo aus man nach Macchu Picchu aufsteigt. Die Brücke wird um fünf Uhr geöffnet, es gilt, eine gute Ausgangsposition im Wettlauf auf den Stiegen zu sichern. Um 4:15 nehmen wir, schon gut aufgewärmt, unseren Platz in der Warte(sitz)schlange als Nummer sechs und sieben ein. Nun ist Zeit, unser Frühstückspackerl zu schmausen. Hinter uns Fabian und Miriam, die den ersten Bus erreichen wollen. Dass der wo ganz woanders wegfährt, sollen sie erst um fünf erfahren...
Nummer 1 und 2: Deutsche, Nummer 3 bis 5: Schweizer: Nr. 6 bis 8: Österreicher, Nr. 9 und 10: Deutsche!!! Dahinter trudeln verschlafen die Südländer ein. Wenn einer das Reservieren beherrscht...
Um fünf Uhr erscheint der Herr über die Brücke. Gewichtigen Schrittes öffnet er das Tor. Und dann: Auf die Plätze, fertig, los! Der Wettlauf setzt ein, jeder möchte so schnell wie möglich die Stufen zum Eingang von Machu Picchu hinter sich bringen. Die Massen hinter uns warten eifersüchtig darauf, uns zu überholen. Mama Turtle setzt zum Stiegenlauf an. Aufgeben tun wir nur Briefe, und die schreibt heute keiner mehr.
Um uns Keuchen und hochrote Gesichter - seinen Platz in der Reihe gibt keiner freiwillig auf. Und wir sprechen hier nicht nur von Stufen - wir sprechen von 2800 Stufen!!!
Im Licht der Stirnlampen geht es bergan. Die Ersten pausieren widerwillig, auch Mama Turtle wird von so manchem Hasen überholt. Aber nach 53 Minuten sind wir oben und unter den ersten fünfzig!
Beim Eingang verteilt sich das auf mehrere Schalter und so sind wir als eine der ersten drin. Und weiter geht's im Sauseschritt. Atmen ist nicht vorgesehen! Auf zum höchsten Punkt beim Wärterhäuschen, von wo man den Traumblick auf die Inka-Stadt hat.
Und - dann - ist - es - geschafft!!! Jubelnd sehen wir die Stadt im Morgenlicht, leer, bevor die Massen kommen, unter uns liegen. Es ist 6 Uhr 02! Überglücklich, hochrot im Gesicht, mit leicht irrem Lächeln wie ein Kettensägenmörder stehen wir da und sind sowas von happy!!!
Niemals hätten wir gedacht, Machu Picchu so zu sehen. Ohne Massen, wie wenn es sich für uns aufgespart hätte. Um uns nur die anderen zwanzig, die den Stiegenmarathon geschafft haben;)
Der kümmerliche Rest unserer Gruppe, der marschiert ist, fotografiert sich gegenseitig: Im Bild: Eli, Dominik, Rosa und Genis, die fieserweise nicht mal schnaufen;)
Miriam und Fabian, die es in den zweiten Bus geschafft haben und Paulina nehmen den Bus, weil sie noch den Machu Picchu Montana bzw. den Huayna Picchu besteigen wollen. Als wir die beiden steilen Berge sehen, sind wir froh, da heute nicht mehr rauf zu müssen! Die anderen aus der Gruppe nehmen auch den Bus.
Dann machen wir uns davon, um alleine durch die Ruinen zu streifen, solange sie noch leer sind. Wie im Traum schlendern wir durch die alten Gebäude, spähen in die Häuser (dass die Dächer fehlen, erleichtert die Sache) und freuen uns, dass wir das alles erleben dürfen. Machu Picchu in dieser Form sehen zu dürfen, ist einer der absoluten Höhepunkte der gesamten Weltreise!
Durch das offizielle Eingangstor betreten wir die Stadt.
Die folgenden Weisheiten zitieren wir aus Wikipedia:
"Erbaut wurde die Stadt einer Theorie zufolge um 1450 auf Befehl des Inka-Herrschers Pachacútec Yupanqui, der von 1438 bis 1471 regierte. Er schuf die Grundlagen für die Ausdehnung des mächtigen Inkareiches und führte den Kult um den Sonnengott Inti ein."
"Die Forschung geht heute davon aus, dass die Stadt in ihrer Hochblüte bis zu 1000 Menschen beherbergen und versorgen konnte."
"Die Anlage, deren ursprünglicher Name unbekannt ist, wurde nach einem der nahe gelegenen Berggipfel benannt, zwischen denen die Ruinenstadt liegt. Teile der Stadt und die für die Landwirtschaft genutzten Terrassen liegen am Fuße des „alten Gipfels“. Hinter ihrem anderen Ende ragt der „junge Gipfel“ (Huayna Picchu) zuckerhutförmig in den Himmel, auf dem sich ebenfalls eine kleine Anlage befindet, die von der Stadt über einen kleinen Bergpfad erreichbar war und ist."
Man nimmt heute an, dass die Anlage religiösen Zwecken diente.
Wir gehören zu den letzten Glücklichen, die Machu Picchu in dieser stressfreien Form (na ja, bis auf den Aufstieg;)) erleben dürfen: Ab Juni gelten die Tickets bei gleichem Preis nur mehr für drei Stunden! Genießen, auf besseres Wetter warten, und einfach daliegen und schauen ist da nicht mehr drin! Auch der Aufstieg zum Sonnentor und zur Inka-Brücke ist da für die meisten nicht mehr möglich. Wir aber haben noch den ganzen Tag von sechs Uhr früh bis fünf Uhr abends Zeit. Auch der Aufstieg zum Intihuatana und zum Intipampa wird dann verboten.
"In exponierter Lage steht das wichtigste Heiligtum Machu Picchus, das Intihuatana. Der Sonnenanker oder „Felsen, an dem die Sonne angebunden ist“, diente astronomischen Zwecken. Mithilfe dieses Sonnenobservatoriums konnten die Astronomen der Inka den Lauf der Sonne und der Planeten, die Tageszeit und die Tage der Winter und Sommersonnenwende bestimmen. Letztere gaben ihnen Auskunft über den Beginn der Regenzeit und somit den richtigen Zeitpunkt für die Aussaat. Das Intihuatana von Machu Picchu ist das einzige in Peru, das in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist. In der Mitte des dreistufigen geschliffenen Felsblocks ragt eine Art massiver Messstab hervor, der auf die vier Himmelsrichtungen und die Neigung zum Äquator ausgerichtet ist. Sein Schattenwurf diente als Sonnenuhr.
Nördlich des Intiwatana gelangt man über Treppenstufen zum Intipampa, dem Sonnenfeld, Schauplatz größerer Versammlungen und Feierlichkeiten. An seiner Nordseite liegt der versunkene Platz, eine tiefer liegende Fläche, die wohl für landwirtschaftliche Zwecke benutzt wurde. Nördlich hiervon steht eingerahmt von zwei Steinhäusern der Heilige Felsen. Der 3 m hohe Steinmonolith weist die Konturen des dahinter liegenden Gebirgszugs auf." (Stefan Loose: "Peru und Westbolivien")
Der Sonnentempel ist der heiligste Ort von Machu Picchu. Das mittlere Trapezfenster der Rundmauer ist exakt auf die Sonnenwende am 21. Juni ausgerichtet. Deshalb wird angenommen, dass dieser Tempel religiöse Funktion hatte.
Im Kondortempel wurden Tieropfer dargebracht. Der Kondor gilt als Verbindungsglied zum "Himmel", zur Spiritualität.
Der große Stein am Boden stellt den Kopf des Kondors mit dem Auge dar. Der kleine Halbkreis davor symbolisiert den weißen Kragen. Die zwei Felsklötze dahinter die Flügel.
Nachdem wir in Ruhe durch die leere Anlage geschlendert sind, schließen wir uns wieder der Gruppe an, denn wir haben noch eine zweistündige Führung dabei.
Wir verabschieden uns von unserem Super-Guide Raoul
Der Steinbruch der Inka - ganz schön viele Hinkelsteine! Ob die einen Obelix hatten?
Der "Tempel der drei Fenster"
Dieser schlaue Name stammt aber jetzt nicht von uns;)
Nachdem wir jetzt über jeden Stein mehr wissen, als wir es je wollten, beginnt das Genussprogramm. Leider beginnt es gerade jetzt zuzuziehen, Nebel zieht herauf und deckt alles zu. Doch wir marschieren zur Inka-Brücke, einem Zugang zur Stadt. Die Holzplanken konnte man wegziehen, um Feinden das Eindringen in die Stadt zu erschweren.
Gerade als wir zum Sonnentor hinaufsteigen, beginnt es zu regnen!!! Wir sind mittlerweile so müde, dass wir im Stehen schlafen könnten, mit ein bisschen gutem Willen auch im Gehen!
Wenn man auf dem klassischen Inka-Trail wandert, hat man hier den ersten Blick auf Machu Picchu. Doch auch von innen kann man natürlich hinaufmarschieren. Doch leider ist alles in dicke Regenwolken gehüllt.
"Wartet doch 20 Minuten", meint der Wärter, "dann kommt die Sonne". Na, wenn's weiter nichts ist! Gerade Zeit sollten weltreisende Hiesis doch wirklich genug haben! Und wirklich, nach einer Viertelstunde verziehen sich erst der Regen und dann die Wolken, und die nassen Standhaften brechen in lauten Jubel aus: We proudly present: Der Blick vom Sonnentor auf Machu Picchu!
Und jetzt kommt, was kommen musste: Die Fotowut hat zugeschlagen: Sorry, meine Lieben, ihr wolltet uns auf dieser Reise begleiten, da müsst ihr jetzt durch!!!
Lange, lange können wir uns nicht losreißen, doch wir wollen auch noch den Blick vom Wärterhäuschen aus im Sonnenschein genießen. Dort sitzen wir ewig im Gras und schauen auf die Stadt. Was haben wir doch für ein Glück!
Andere haben vielleicht den schnuckeligeren Yoga-Trainer, aber Karin hat eindeutig die bessere Hintergrundtapete.
Ein weiterer Ruinenbewohner, ein Chinchilla:
Und dann - obwohl wir schon hundemüde sind, gehen wir noch ein weiteres Mal durch die Ruinen. Es ist einfach zu schön! Erst um halb fünf können wir uns losreißen und machen uns an den Abstieg. Diesmal ganz entspannt. Zehneinhalb Stunden haben wir in Machu Picchu verbracht - uns war keine Minute fad!
Beim Abstieg begegnen uns noch ein paar Schönheiten:
Abends treffen wir uns noch mit Fabian und Miriam und essen gemeinsam. Karl und Karin bestellen jeder eine Familienpizza! Und es ist kein Krümel übriggeblieben!
Wir freuen uns über eure Kommentare, Anregungen, Fragen...
Kommentar schreiben
Ingrid und Manfed (Freitag, 21 April 2017 22:42)
Danke für eure tollen Berichte und wunderschönen Fotos.
Diese Reise in die Geschichte bzw. Vergangenheit mit euch gemeinsam zu erleben ist voll cool!!!�
LG aus der "kalten" Dorffeldstrasse❄❄
Ingrid und Manfred
Klaudia (Sonntag, 23 April 2017 13:32)
Mir fehlen die Worte ..... einfach Woooooooowww!!!!!