In den nördlichen Chin-Staat

 

Schon am nächsten Morgen sitzen wir wieder in einem Bus nach Norden. Denn wieder einmal haben wir unsere Pläne spontan geändert. Wollten wir eigentlich noch ein paar Tage an einem schönen Strand abhängen, so haben wir uns stattdessen entschlossen, noch ein Stück  in die Berge des Nördlichen Chin-Staates zu fahren.

 

 

Denn während wir noch jede Menge schöne Strände besuchen können, glauben wir nicht, noch einmal in den Norden Myanmars zu reisen (zu viel andere Must-see-Ziele!), und auch wenn wir durch unseren Abstecher in den Kayin-Staat keine Zeit mehr für den hohen Norden haben, möchten wir so viel sehen wie möglich. Deshalb sitzen wir am nächsten Tag im Bus nach Hakha, der Hauptstadt des Chin-States. Denn es gibt einen Bus, der fast direkt, nur mit einmal kurz in einen anderen Bus wechseln, in rund  zehn Stunden von Mindat über Gangaw in die wunderschöne Bergwelt rund um Hakha führt. Für unsere sichere Ankunft sollte gesorgt sein, denn wir reisen unter geistlichem Beistand. Ein Mönch hat neben dem Fahrer Platz genommen, denn die erste Reihe ist immer für Mönche reserviert. So sitzen wir als Falang (Weiße) in der zweiten, und wie üblich wird alles mit Säcken und Gepäck vollgestopft. Hier unsere Aussicht:

 

 

Zehn Stunden mögen lang für die etwa 150 km Luftlinie erscheinen, doch die Strecke windet sich immer wieder spektakulär auf und ab durch die Berge. Doch erst ist es noch flach, und es wird viel Feldbau betrieben. In den Dörfern erfolgt der Transport vorwiegend mit Ochsenkarren, sie transportieren Reisstroh oder Holzstämme. Wir sehen eine uralte Dreschmaschine, mit der Reis gedroschen wird.

 

Die Straße wird sehr hügelig und schmal, was wahrscheinlich der Grund dafür ist, dass sich die Dame hinter uns geräuschvoll erbricht. Das hatten wir heuer noch gar nicht, es spucken immer nur alle Männer den Betelsaft geräuschvoll aus dem Fenster, aber man wird ja betriebsblind, das merken wir schon gar nicht mehr, so normal ist das;) Die vielen tiefen Senken nimmt unser Fahrer so rasant, dass es auch uns mehrmals ein wenig den Magen aushebt. Von 1400 Metern in Mindat geht es hinunter auf ca. 400, dann wieder hinauf auf beinahe 1900 Meter in Hakha, was dafür sorgt, dass wir auch am nächsten Morgen wieder die Eiszapferl von unserer rinnenden Nase hacken werden. Denn jetzt hat es auch Karl erwischt - während Karin schon im Kayin-Staat schwer verkühlt war, und zwei Tage überhaupt keine Stimme hatte und nicht sprechen konnte (ja, ja, ich weiß, ein Männertraum, bla, bla...) schnupft Karl jetzt zum Steinerweichen und hat auch leicht erhöhte Temperatur.

 

Wobei rasant fahren ja Ansichtssache ist: Aufgrund des Streckenprofils fahren wir ja kaum einmal schneller als 30 bis 40 km/h, wenn auch der Tacho unseres Rennautos unverdrossen zwischen 140 und 160 anzeigt... So gehen die Stunden dahin, dazwischen wird immer wieder mal für Essens- oder Pieselpausen gestoppt. Hier die Küche in dem Lokal, wo wir zum Frühstück aßen. Es hat super geschmeckt!

 

 

 

Und jetzt müssen wir über etwas schreiben, was vor allem Karin die Fassung raubt: Bereits vor zwei Jahren haben wir beschrieben, dass die Dorfbewohner, wenn eine Straße gebaut wird, gezwungen sind, mitzuarbeiten, wenn sie auch geringfügig dafür bezahlt werden. Und so sitzen denn im Staub und Dreck unzählige Männer und Frauen und zerkleinern händisch Steine. Die Männer klopfen die großen klein, die Frauen die kleinen noch kleiner, und verteilen sie am Straßenrand, denn es wird nicht der Belag saniert, sondern die Straßenbreite auf zwei Fahrbahnen erweitert. Wer keine Oma zum Aufpassen hat, muss seine Kleinkinder mitnehmen, die in dem ganzen Dreck ohne Hosen am Boden sitzen. Nie wieder werden wir bei uns an einer Baustelle vorbeifahren können, ohne daran zu denken! Ist die Baustelle nicht direkt im Dorf, wohnen sie in aus Platikplanen auf Holzgestellen gebauten Unterkünften am Straßenrand. Manchmal sehen wir den Boss vorbeifahren, der aus seinem Jeep im Vorbeifahren Instantnudeln und Zigaretten wirft, auf die sich die Arbeiter gierig stürzen. In ganz Myanmar wird momentan emsig gebaut, wir haben oft den Eindruck, das Land ist eine Riesenbaustelle. In zehn Jahren werden sich Reisende über die guten Straßen freuen, wir ersticken fast im Staub, und die Arbeiter verhüllen sich dicht gegen den Dreck. 

 

Würden die Fahrer bei uns so fahren wie hier, wären sie binnen einer Stunde tot! Da wird vor unübersichtlichen Kurven und Kuppen überholt, dass es eine Freude ist, Laster werden durch Hupen zum Ausweichen "ermuntert", und jeder gast wie Sau. Doch gottlob gibt es bislang so gut wie keinen Privatverkehr, nur Mopeds; und Minibusse und LKW teilen sich die Straße. Wobei uns jetzt auffällt, dass die Uralt-Stinker-Busse aus Yangon (in Mandalay fahren sie noch) hier ein zweites Leben als LKW erleben. Und wie man hier fahren soll, lehrt das Verkehrsschild: "Hupen erwünscht!"

 

 

Was wir hier erstmals sehen, ist, dass die Laubwälder in höheren Lagen gelb und rot verfärbt sind, wie bei uns bei der Herbstfärbung. Schön sieht das aus, wenn ganze Berghänge rot leuchten. Sträucher blühen, und hinter jeder Bergkette baut sich die nächste noch höhere auf.

 

 

Hakha erweist sich als lebendige Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern, auf einem Hang erbaut. Viele Bekleidungsgeschäfte, völlig unüblich wenige Restaurants und, für uns unerwartet, überraschend modern. Auch wird viel gebaut. Und es gibt an jedem Eck irgendeine christliche Kirche der unterschiedlichsten Gruppierungen..

 

 

Und als wir am Abend essen gehen, kommt der Reis gleich im Topf auf den Tisch - großzügige zwei Portionen!

 

 

Da wir nach einer guten Woche endlich wieder einmal Internet haben, und damit sich Karl auskurieren kann, legen wir einen Rasttag ein, denn eines der hiesigen Guesthouses bietet einen in dieser Gegend ungeahnten Luxus: Heißes Wasser!!! Im letzten hat man uns immerhin zwei Fünfliterthermoskannen heißes Wasser ins Zimmer gestellt zum Selbermischen im Schaffel, hier kommt es aus einem eigenen Hahn und wenn man das Schaffel unterstellt und später aus dem Kaltwasserhahn daneben kaltes zugibt, kann man sich doch tatsächlich mit warmen Wasser waschen und die Haare waschen. Das Paradies ist nah!

 

Mittlerweile ist Karl wieder gesundet und hat sich auf den Weg zu einem Aussichtspunkt hoch über der Stadt gemacht und euch noch ein paar Fotos mitgebracht:

 

 

Die Hausübung muss gemacht werden:

 

Waschtag
Waschtag

 

Morgen früh geht es noch weiter nach Norden nach Falam, und dann müssen wir allmählich den Bogen wieder runter nach Yangon nehmen, denn auch wenn Monika gefragt hat, ob wir verlängern, der Flug ist schon für nächsten Freitag gebucht, und zu Hause wartet jemand auf uns, auf den wir uns freuen!

 


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